Wirkungen transdisziplinärer Forschung auf wissenschaftliches Wissen

Im transdisziplinären Forschen steckt viel Potenzial! Daher verfolgen auch wir bei InNoWest diesen Ansatz und entwickeln gemeinsamit mit unseren Partnern vor Ort Projekte, die einen nachhaltigen Nutzen für die Region haben. Bislang liegt der Fokus der Forschung vorrangig auf den gesellschaftlichen Wirkungen. In diesem Beitrag soll der Blick auf die Effekte transdisziplinärer Forschung in und für die Wissenschaft gelenkt werden.

Was bedeutet überhaupt transdisziplinäre Forschung?

Einen wichtigen Fortschritt für das Lösen der komplexen Herausforderungen unserer Zeit bietet die transdisziplinäre Forschung, bei der Praxis-Akteure mit Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen zusammen arbeiten. Transdisziplinäre Forschung ist dabei ein neuer Forschungsmodus – eine veränderte Art, wie Wissenschaft betrieben wird. Im transdisziplinären Forschungsprozess werden die Erkenntnisse aus den einzelnen Disziplinen und das Wissen aus der Praxis problembezogen und methodengeleitet (z.B. im Rahmen eines moderierten Workshops) integriert, um Wirkungen und Lösungen für ein gesellschaftliches Problem zu erreichen. Das Ziel ist dabei einerseits, allgemein akzeptierte und umsetzbare Ergebnisse zu erarbeiten, die zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme beitragen. Andererseits entstehen aber auch neue wissenschaftlichen Erkenntnisse und neue Forschungsimpulse, die hier ausführlicher dargestellt werden sollen.

Als „Ikone“ eines idealtypischen transdisziplinären Forschungsprozesses wird von der Forschungscommunity aktuell das unten gezeigte Modell gesehen. Darin werden Veränderungspotentiale sowohl auf gesellschaftlicher (links) als auch auf wissenschaftlicher
Ebene (rechts) deutlich.

Auswirkungen auf die Wissenschaft

Die wissenschaftlichen Auswirkungen transdisziplinärer Forschung finden laut Marg und Theiler in drei Bereichen statt – (1) in Bezug auf die wissenschaftliche Forschungspraxis, (2) bezüglich der erzielten Ergebnisse und (3) durch eine stärkere Reflexivität.

  1. Forschungspraxis: In der Forschung mit Praxispartnerinnen wird der Forschungsgegenstand oft ausgeweitet und zusätzliche wissenschaftliche Aspekte und Themenfelder müssen mit aufgenommen werden. Dadurch verändert sich bei den Forschenden das Verständnis der untersuchten wissenschaftlichen Probleme. Durch die Rückmeldung der Praxispartnerinnen, dass das eigentliche Problem anders gelagert ist als von den Forschenden angenommen, muss außerdem oftmals die wissenschaftliche Problemdefinition geschärft werden.
  2. Ergebnisse: Auch die Qualität der Ergebnisse verändert sich in transdisziplinärer Forschung. Um gute Ergebnisse zu erzielen, müssen die angewandten (sozialwissenschaftlichen) Methoden überdacht, angepasst oder neu entwickelt werden. Der enge Praxisbezug verbessert außerdem die Datenqualität und -aktualität der erforschten Probleme.
  3. Reflexivität: Außerdem wird durch die transdisziplinäre Forschung die reflexive Wende in der Wissenschaft sowohl bei den Wissenschaftler*innen als auch bei den Fachdisziplinen und den wissenschaftlichen Institutionen gefördert. Um
    gesellschaftliche Probleme als Forschungsaufgabe in ihrer Komplexität zu lösen, sind verschiedene Wissensformen und disziplinäre Hintergründe notwendig und Forschende werden mit den Grenzen ihrer eigenen Disziplin konfrontiert. Damit
    entsteht auch innerhalb der Fachdisziplinen ein Verständnis für die notwendige thematische Zusammenarbeit, welche in den Strukturen von Wissenschaft Eingang findet (Mode 2-Wissensproduktion). Durch den Bezug und die Zusammenarbeit mit der
    gesellschaftlichen Praxis werden außerdem Fragen der Verantwortung und der Macht von Wissenschaft gestellt, da (inter-/disziplinäres) Fachwissen allein in der Regel die Ursachen für gesellschaftliche Probleme nicht lösen kann.

Summa Summarum, durch die Forschung mit der Praxis nehmen wissenschaftliche Probleme eine neue Dimension an, wissenschaftliche Diskurse werden überdacht und neue Fragestellungen und methodische Innovationen führen zu neuen wissenschaftlichen Ergebnissen.

Literatur
Bergmann, M. et al. (2010): Methoden transdisziplinärer Forschung: Ein Überblick mit Anwendungsbeispielen. Campus-Verlag: Frankfurt a.M.
Marg, O.; Theiler, L. (2023). Effects of transdisciplinary research on scientific knowledge and reflexivity. In: Research Evaluation, 2023, 32, pp. 635-647.